LETS PLAY

Ich komme gerade von wunderbaren zehn Tagen, an denen ich die Talmi-Methode® praktizieren und weiter lernen durfte. Über einen Aspekt habe ich noch nichts geschrieben, auch weil es so wahnsinnig schwierig ist, diesen Aspekt in Worte zu fassen. Aber er ist auch genau der Grund, weswegen die Talmi-Methode® so besonders ist und sich von allen anderen Körpertherapien abgrenzt:

Die Talmi-Methode® ist eigentlich keine Methode. Sie ist ein Spiel. Wer sich behandeln lässt, kann sich nicht einfach hinlegen (oder setzen) und passiv etwas mit sich geschehen lassen. Nein, sie oder er muss bereit sein, sich auf ein Spiel einzulassen und je ernster man dieses Spiel nimmt, desto mehr wirkt die Behandlung. Ein Schauspieler versteht sofort, was ich damit meine. Als Bühnentier weiß er, wie sehr seine eigene Bereitschaft, sich auf die Erfahrung einzulassen und sie ernst zu nehmen, die Qualität des Spiels beeinflusst. Aber auch als jemand, der nichts mit Theater zu tun hat, erahnt man vielleicht, worum es geht. 

Ich versuche einmal das Gegenteil zu beschreiben, um der Sache besser habhaft zu werden. Jeder hat diesen Zustand schon einmal erlebt: Es ist Morgen. Wir frühstücken. Ich bin müde und in meinem Kopf versucht sich eine Struktur des Tages zu bauen. Was muss getan werden? Welche Aufgaben habe ich heute? Alles andere geschieht automatisch. Das Müsli essen. Der flüchtige Abschiedskuss meines Ehemanns passiert automatisch. Das Streichen über den Kopf meines Sohnes passiert automatisch. Die Gesten sind ungefüllt, alltäglich, Routine. Zunächst mal möchte ich das nicht bewerten. Es ist sogar notwendig, solche Muster zu leben, Routinen zu pflegen, denn nur so können wir planende, reflektierende Wesen sein. Aber diese Routinen sind natürlich auch das Gegenteil von Fokus und Wahrnehmung des Moments. 

Bei einer Behandlung ist jede Berührung gefüllt und dient einem Zweck. Und der Behandelte reagiert im besten Fall auf diese Berührung mit seiner Atmung und seinem Bewusstsein. Gemeinsam erforscht man die verschiedenen Bereiche und während die Behandelnde neugierig die eingeschliffenen Muster sucht und findet, folgt ihr der Behandelte an diese Stellen und erkennt mit ihr die Verspannungen und Routinen im Bewegungsapparat. Das Ganze passiert meistens ohne Worte. Aber an jedem meiner Finger scheint ein Auge zu sitzen, das vergrößert die Bereiche im anderen erkennt, die einer Berührung bedürfen. Und an jedem Finger scheint ein Ohr zu sitzen, dass die Rufe bestimmter Stellen hört und ihnen folgt. Dann sprechen die Finger mit den Stellen und sagen so etwas wie: Schau mal, da musst du doch gar nicht festhalten. Das mache ich jetzt für dich. Oder siehst du, wie gut sich deine Schulter bewegen lässt. Sie muss gar nicht angespannt sein. Und der Behandelte reagiert darauf, indem er diesen Impuls wahrnimmt und das Nachlassen der Spannung und die größere Beweglichkeit notiert und beatmet.

Wie gut die Kommunikation zwischen zwei Menschen funktioniert, wenn man nur Berührung, Bewegung und Atmung als Mittel hat, fasziniert mich immer wieder. Am Ende sind wir unsere Körper und unsere Wahrnehmung und unser Geist sind untrennbar mit ihm verknüpft, sind eins. Im Englischen gibt es den Begriff Bodymind. Im Deutschen gibt es leider nur den durch die Vergangenheit braun getünchten Begriff Leib nach Edmund Husserl. Er beschreibt aber wohl am besten, was bei der Talmi-Methode® Programm ist: Körper und Geist sind eine Einheit. 

Die Talmi-Methode® ist eine Aufforderung zum Spielen miteinander. Nicht das Spielen, das uns unverändert zurück lässt, sondern das Spielen, das uns lernen hilft, Veränderungen anzunehmen und keine Angst vor der Freiheit zu haben, in die der Leib nach einer Behandlung entlassen wird. Let's play. 

Nora Schuessler